• LOST IN RANDOM DIE KUNST VON RANDOM Ein malerisches Märchen.

    In unserem letzten Blogpost haben wir uns mit Sounds beschäftigt, die einem Märchen das gewisse Etwas verleihen. Eine ausgefeilte musikalische Untermalung, die passenden Soundeffekte, ein schrulliger Erzähler und vieles mehr spielen dabei eine Rolle. Genauso wichtig ist es aber, den richtigen Look zu finden.

    Wenn wir uns unsere liebsten Märchenklassiker vorstellen, haben wir dabei eine Mischung aus Staunen und Schrecken vor Augen. Denn jedes gute Märchen birgt ein wenig Dunkelheit in sich. Das wollte das Team von Zoink in Lost in Random berücksichtigen.

    (Illustration aus Lost in Random von Alfredo Cáceres)

    Ob gotische Türmen oder seltsame, verschrobene Kreaturen – bei Lost in Random findet sich ein bisschen von allem. Schon früh in der Entwicklung des Spiels experimentierte das Team mit verschiedenen Motiven, die es in der Geschichte und mithilfe des Designs erkunden wollte. Ein Großteil der Konzeptzeichnungen ist in einem fast monochromen 2D-Stil gehalten, der die trostlose Welt dieses düsteren Märchens einfängt, ganz so, wie man es von Klassikern des Genres oder aus Bilderbüchern kennt. Viele der ursprünglichen Entwürfe wurden mit Papier und Tinte gefertigt, um diesen Stil zu perfektionieren.

    (Konzeptzeichnung von Zwei-Stadt von Victor Becker)

    Victor: Hallo! Ich möchte heute erzählen, wie unsere kreativen Prozesse ablaufen. Fangen wir doch ganz am Anfang an:

    Vor Jahren machte Klaus Lyngeled (Head of Development bei Zoink) ein kleines Entwicklerteam mit der Kunst von Shaun Tan bekannt, einem Maler, der diesen skurrilen Märchenlook hervorragend darstellt. Das hat uns wahnsinnig inspiriert. Seine Arbeit hat uns aber vor allem dazu gebracht , uns von der klassischen Fantasy zu lösen. So fingen wir an, uns mit unterschiedlichen Medien und Materialien zu beschäftigen, zum Beispiel mit Ton, unterschiedlichen Farben oder Bleistiftzeichnungen. Die Variation greifbarer – und nicht digitaler – Medien bringt das Beste eines jeden Kunstschaffenden zum Vorschein. 

    (Konzeptzeichnungen für Evens Zuhause und Einrichtungsgegenstände von Victor Becker)

    Victor: Der Stil sollte sich an Knetanimationen orientieren. Dafür sahen wir uns die Arbeit der Laika Studios an und fingen selbst an, mit Ton zu modellieren. Irgendwann sind wir auf den 3D-Charakterdesigner Borislav Kechashki gestoßen, der diesen handgemachten Look perfektioniert hatte. Seine Charaktere sahen aus wie Miniaturen aus Holz oder aus Stoffen. Das entsprach genau unseren Vorstellungen.

    Zu diesem Zeitpunkt hatte mich Klaus praktisch dazu genötigt, auf digitale Malerei zu verzichten und hauptsächlich mit Stift und Papier zu arbeiten. Er fand, mein Stil würde so erst richtig zur Geltung kommen. Von da an wurde der Look analoger. Die Linien wirkten so lebendig wie in einem Gemälde. Man konnte gewissermaßen noch die Fingerabdrücke auf den Gebäuden erkennen.

    (Modellierte Konzepte von Odd, dem Troubadour und Ooma von Victor Becker)

    Victor: Wir wollten, dass Lost in Random möglichst real, düster und befremdlich wirkt. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, der gesamten Welt ein malerisches, farbenfrohes und fließendes Aussehen zu verleihen, indem wir bestimmte Materialien nutzten: Ton, Metall und Holz! Wenn etwas wie ein anderes Material aussehen sollte, sollte es so wirken, als hätte ein riesiger Künstler versucht, das Material aus einem dieser Materialien nachzubilden.

    (Konzeptzeichnung für Zwei-Stadt von Leo Brynielsson)

    Sobald wir uns für einen übergeordneten Stil entschieden hatten, konzentrierte das Team sich auf die einzelnen Charaktere und Schauplätze, damit sie noch authentischer wirken. Mit Konzeptzeichnungen kann man verschiedene Stimmungen und Stile für ein Spiel ganz wunderbar ausprobieren. Die Zeichnung oben zeigt Zwei-Stadt in einem impressionistischen Stil. Es fehlen hier zwar noch einige Details, die man in der Welt der Spiele erwarten würde, aber die sind am Anfang noch nicht so wichtig. Wir wollten erst einmal die Stimmung des Ortes und das Verhältnis von Farbe, Licht und Formen einfangen.

    (Even und Dicey erkunden Zwei-Stadt)

    Wenn man Zwei-Stadt im Spiel erforscht, kann man erkennen, wie sich das Konzeptbild letztendlich entwickelt hat. Die Schatten sind etwas tiefer geworden, aber dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten, zum Beispiel den warmen Schein der Lichter, die Straßenlaternen und die unheimliche Art, wie die Gebäude über einem emporragen.

    Victor: Mein Vater sagte immer: „Fang locker an und bring es rasiermesserscharf zu Ende!“ Am Anfang eines Projekts gibt es nur die Fantasie, keine Objekte, kein Licht, gar nichts. Eine leere Seite ist beängstigend, aber sie steht auch für völlige Freiheit. Und was haben wir mit dieser Freiheit gemacht? Wir haben einen einfachen Tonblock geformt, der ein leeres Haus repräsentiert. Dann zeichneten wir Details auf einem Screenshot ein und fügten schräge Fenster, hübsche Türen und gewundene Rohre hinzu, die wir dann auch modellierten. Wir bauten eine ganze Häuserreihe, sahen uns an, ob wir zu viele oder zu wenige Details eingearbeitet haben und haben dann entsprechend nachgebessert. Und so ging es weiter.   

    (Konzeptskizzen für Vierburg von Victor Becker)

    Victor: Wir füllten die leere Leinwand mit zufälligen Formen und Linien, um unsere Fantasie anzuregen. Dieser Ansatz eignet sich für jede Art von Objekt oder Umgebung, unabhängig vom Umfang. Für die Level von Lost in Random begannen wir in der Regel mit kleineren Skizzen (also winzigen Zeichnungen), in denen Raum und Formen sowie einige wichtige Farben vorgegeben wurden. Dann haben wir einen einfachen Entwurf des Levels erstellt. Dabei bezogen wir uns auf diese Miniaturskizzen.

    Danach machte ich Screenshots von den wichtigsten Orten des Levels und fügte Farben, Beleuchtung, verrückte Formen und lustige kleine Details ein, die zur Stimmung und Geschichte des Schauplatzes passten. Dann begannen unsere Environment Artists mit der Gestaltung. Die Level wurden dann so lange überarbeitet, bis sie gut aussahen, aber immer noch zur Handlung der Welt passten. Hier ein wichtiges Zitat meiner Mutter: „Vertrau dem Prozess, hör auf deinen Bauch!“

    Aber die Entwicklungsabteilung hat nicht nur mit den Schauplätzen experimentiert. Die Charaktere sind ein weiteres Paradebeispiel dafür, welchen Einfluss Konzeptdesigns haben können.

    (Konzeptdesign von Even von Victor Becker)

    Die Emotionen der Charaktere, ihre einzigartigen Eigenschaften und ihre Persönlichkeiten können mithilfe von Konzeptdesigns ausgearbeitet werden. Selbst ohne Bewegung oder Ton kann man fast hören und nachvollziehen, wie sich Even in den frühen Entwürfen fühlt (oben), oder wie sich die Persönlichkeit der einen Schwester von der anderen unterscheidet (unten).

    (Konzeptzeichnung der Königinschwestern vonVictor Becker)

    Victor: Der Ausdruck ist die Königsklasse der Charakterkonzepte. Wenn ich beginne, einen Charakter zu zeichnen, fülle ich Seite um Seite mit Probezeichnungen, meistens in Bewegung oder mit einem Gesichtsausdruck, der zur Geschichte von Olov Redmalm, dem Creative Director und Lead Writer des Projekts, passt. Dadurch wird es viel einfacher, den Kern eines Charakters zu finden. Von dort aus können wir weitermachen, sodass der Charakter immer lebendiger wird. Dabei darf man natürlich nicht die kleinen Details vergessen: Evens Kleid hat zwei Knöpfe und Odds hat drei, damit die Outfits zu ihren Namen (auf Deutsch „Gerade“ und „Ungerade“) passen. Der Tod hat übrigens sieben Punkte auf seiner Stirn – um Fantheorien zu entfachen! 

    (Evens Zuhause in Einsfelden)

    Auch das Zusammenspiel zwischen einem Charakter und seinem Herkunftsort kann von Bedeutung sein. Even und Odd kann man zwar deutlich ansehen, dass sie aus Einsfelden stammen. Trotzdem sehen sich nicht aus wie alle anderen Kinder. Wenn man sich ihr Zuhause näher ansieht, kann man einige Gemeinsamkeiten entdecken. Die Violetttöne ähneln der Kleidung der Mädchen, das satte Braun des Holzes passt zu ihren Haaren und die gemütliche Beleuchtung harmoniert mit ihren Persönlichkeiten!

    So wird der Unterschied zwischen Even und den seltsamen Orten, an denen sie sich im Laufe des Spiels aufhält, noch deutlicher. Man nimmt sie als Außenseiterin wahr.

    (Die Königin in ihrem Palast)

    Im Gegensatz dazu erkennt man direkt, dass die Königin nicht aus Einsfelden oder einem der anderen Reiche stammt. Sie ist wie ein Turm der Finsternis und imposant anzusehen. Trotzdem hat sie einen unverwechselbaren, eleganten Stil, der zu anderen Teilen des Spiels passt.

    Und genau wie Evens Aussehen ihre Heimat widerspiegelt, so ist es auch bei der Königin. Environmental Storytelling ist ein wichtiger Bestandteil von Lost in Random. Es trägt dazu bei, dass man immer weiß, wo man ist und wohin man geht. Es beschreibt die Geschichte der alten und der neuen Welt und gibt die Richtung für die Geschichte vor, die sich entfalten wird.

    (Storyboard von Olov Redmalm)

    Sogar für die Geschichte selbst gibt es Konzeptzeichnungen in Form von Storyboards, die die Reise des Spielenden darstellen. Anhand dieser Skizzen konnte das Team die Vision des Spiels erkennen, noch bevor es Skripte oder Sprachaufnahmen gab.

    Victor: Olov hat an Storyboards gearbeitet, um den Ausdruck unserer Charaktere weiter zu unterstreichen. So lässt sich das Wesentliche effizient einfangen, die Art und Weise, wie sich die Charaktere bewegen und miteinander interagieren . Olov zeichnete das Storyboard, zeigte es dem technischen Grafiker Mathias Lorensson, der die Umgebung und die Animationen vorzeichnete, und gab es dann mit zusätzlichen Hinweisen und Feedback an die Animationsabteilung weiter. Olov und ich nahmen Referenzvideos für die Animationen auf. Das war eine tolle Gelegenheit, in Bewegung zu bleiben und ein bisschen herumzualbern! Ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir einige dieser Videos irgendwann einmal zeigen können.

    (Illustration „Die Geburt einer Königin“ von Alfredo Cáceres)

    Victor: Ich würde gern noch über den unglaublichen Alfredo Cáceres sprechen, der die Illustrationen, die hier gezeigt werden, gezeichnet und gemalt hat. Olov, Klaus und ich dachten über ein spielinternes Geschichtenbuch nach. Wir fragten uns, wie ein Bürger von Random seine eigene dunkle Märchenwelt darstellen würde. Und siehe da: Alfredo hatte die Antwort! Alfredos frühere Arbeiten waren bereits eine Inspiration für uns gewesen. Als er zu unserem Team stieß, schloss sich der Kreis.

    Plötzlich wurde Random selbst zu einer kulturellen und kreativen Welt, die unserer eigenen ähnelte. So wurde es für uns einfacher, uns mit den Charakteren zu identifizieren.

    (Illustration „Keine-Würfel-Krieg“ von Alfredo Cáceres)

    Victor: Viele Leute sehen eine Verbindung zwischen Tim Burton, Alice: Madness Returns und Lost in Random, aber als Art Director möchte ich noch auf meine persönlichen Inspirationen für dieses Spiel eingehen:

    One Piece von Eiichiro Oda Das Meisterwerk One Piece ist eines der größten kreativen Universen der Welt. Es gibt tausende einzigartige Charaktere mit ganz eigenen Motiven und eigenem Humor. Wenn ich selbst Charaktere erschaffe, denke ich oft an One Piece und frage mich, wie die Figuren so stimmig sein können, obwohl einer ein humanoides Rentier (und Arzt) und der andere ein erwachsener Mann in einem Babykostüm ist (mit der traurigsten Hintergrundgeschichte aller Zeiten). [Anmerkung der Redaktion: Okay, interessant.] Studio Ghibli
    Ihre Arbeit war schon immer eine Inspiration für mich. Daher wird wohl immer etwas von ihnen in meine Zeichnungen einfließen. Hinter der Gartenmauer
    Diese Serie hat Olov, Klaus und mich dazu gebracht, viele Charakter- und Umgebungsdesigns noch einmal zu überarbeiten. Diese Welt fängt die Essenz echter Märchen ein. Nachdem ich es gesehen hatte, versuchte ich, diese Essenz auch in unsere Welt zu integrieren.  Jede Menge Manga! Mein Tipp des Tages: Manga lesen!

    Moderne und historische Keramikarbeiten und Eisenwaren aus dem 15. bis 17. Jahrhundert Im Laufe der Zeit haben wir Menschen unglaubliche funktionelle Kunst geschaffen. Ich staune jedes Mal, wenn ich diese Objekte betrachte. Mein Schaffensdrang wird dann sofort geweckt.    Und dann möchte ich noch einige großartige Illustrierende und Koryphäen des Charakterdesigns nennen, die uns auf ganz unterschiedliche Weise inspiriert haben: Blad Moran, Heidi Smith, Sylvain Marc, Dani Diez, Jesper Eijsing und viele, viele andere! Wer auch immer diesen Blogpost liest: Komm, ich zeig dir die Welt, strahlend, schimmernd und herrlich. Es gibt so viel, dass ich dir gern zeigen würde! Es gibt so viele Themen, über die ich gern sprechen würde, aber fürs Erste muss ich mich hier wohl verabschieden. Wenn du bis hierhin gelesen hast, möchte ich mich bedanken!  Ich hoffe, dass du spätestens jetzt den brennenden Drang verspürst, diese Welt zu erkunden, die wir mit so viel Sorgfalt und Liebe erschaffen haben. Aber sei vorsichtig und verlaufe dich nicht … Lang lebe Random! Lang lebe die Königin!

    (Konzeptzeichnung der Königin von Victor Becker)

    Hoffentlich war es interessant, mehr über die Kunst und den Entstehungsprozess von Lost in Random zu erfahren! Das Team hört immer gern, was andere über das Spiel denken. Wir freuen uns, wenn du deine Meinung auf Twitter mit uns teilst.

    Lost in Random ist jetzt weltweit für Xbox, PlayStation, Nintendo Switch und PC verfügbar. Und wie Victor schon sagte: Lang lebe Random!

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